Ein Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) ist ein Unternehmen, das für den Betrieb, die Wartung und den Ausbau der überregionalen Stromnetze zuständig ist. Diese Netze – auch Höchstspannungsnetze genannt – bilden das Rückgrat der elektrischen Energieversorgung in Deutschland und Europa.
Übertragungsnetzbetreiber: Definition und Bedeutung
Die allgemeine Definition eines Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) lautet: Er ist verantwortlich für den Transport elektrischer Energie über weite Entfernungen – in der Regel im Höchstspannungsnetz – von den zentralen Einspeisepunkten, etwa Großkraftwerken oder Umspannwerken, bis zu den regionalen Verteilnetzen, die Haushalte, Gewerbe und Industrie beliefern. Der Betrieb des Übertragungsnetzes muss diskriminierungsfrei, effizient und zuverlässig erfolgen. Diese Anforderungen sind im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gesetzlich festgelegt (§ 11 EnWG).
Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland: Wer sind sie?
In Deutschland gibt es derzeit vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), die jeweils ein geografisch abgegrenztes Höchstspannungsnetz betreiben:
- Amprion GmbH
– Zuständig für Westdeutschland und Teile Süddeutschlands - TenneT TSO GmbH
– Zuständig für Nordwestdeutschland sowie zentrale Regionen - 50Hertz Transmission GmbH
– Zuständig für Ostdeutschland einschließlich Berlin - TransnetBW GmbH
– Zuständig für das Bundesland Baden-Württemberg
Gemeinsam bilden sie das Rückgrat des Stromtransports in Deutschland. Sie sind für den sicheren, stabilen und diskriminierungsfreien Betrieb des Stromnetzes auf Höchstspannungsebene verantwortlich und sorgen dafür, dass Stromerzeugung und Stromverbrauch jederzeit im Gleichgewicht bleiben – rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr.
Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber
Die Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber sind gesetzlich eindeutig geregelt – insbesondere im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG, § 11 ff.) sowie in weiteren energiewirtschaftlichen Verordnungen. Zu den zentralen Pflichten zählen:
- Betrieb, Instandhaltung und bedarfsgerechter Ausbau des Übertragungsnetzes auf Höchstspannungsebene
- Sicherung der Netzstabilität und Frequenzhaltung (50 Hz) im gesamten Stromsystem
- Lastflusssteuerung sowie Durchführung von Redispatch-Maßnahmen, um Netzengpässe zu vermeiden
- Integration erneuerbarer Energien, z. B. durch die Einspeisung von Wind- und Solarstrom
- Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs, inklusive transparenter Netzentgelte
- Bereitstellung strukturierter Netzdaten und Veröffentlichung zentraler Netzkennzahlen zur Markttransparenz
Zudem sind die Übertragungsnetzbetreiber gemeinsam für die Erstellung des Netzentwicklungsplans Strom (NEP) verantwortlich – ein zentrales Planungsinstrument für den langfristigen Ausbau der Netzinfrastruktur in Deutschland.
Die Rolle der Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur ist die zuständige Regulierungsbehörde für den deutschen Energiemarkt und übt die aufsichtsrechtliche Kontrolle über die Übertragungsnetzbetreiber aus. Sie prüft Investitionspläne, genehmigt die von den Netzbetreibern beantragten Netzentgelte und stellt sicher, dass der Netzbetrieb diskriminierungsfrei, effizient und im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs erfolgt.
Die Regulierung durch die Bundesnetzagentur ist ein zentraler Bestandteil des regulierten Strommarkts. Sie gewährleistet transparente Marktbedingungen, schützt Verbraucher sowie Marktteilnehmer vor monopolistischen Strukturen und trägt zur langfristigen Versorgungssicherheit bei.
Was regelt das EnWG?
Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ist das zentrale Regelwerk für die Organisation und Regulierung der Strom- und Gasversorgung in Deutschland. Es bildet die gesetzliche Grundlage für:
- die Versorgungssicherheit im Energieversorgungssystem
- die Marktstruktur und Organisation von Netzbetrieb, Stromhandel und Lieferbeziehungen
- den diskriminierungsfreien Netzzugang und den bedarfsgerechten Netzausbau
- den Verbraucherschutz, insbesondere bei Energieversorgung und Abrechnungsfragen
- sowie die Förderung einer nachhaltigen, umweltfreundlichen Energieversorgung, insbesondere durch erneuerbare Energien
Ein wesentlicher Bestandteil des EnWG ist die rechtliche Definition zentraler Marktakteure – etwa von Netzbetreibern, Stromlieferanten und Betreibern von Kundenanlagen – sowie die Festlegung, wie diese Akteure rechtlich und technisch zusammenarbeiten müssen, um einen sicheren und wettbewerblichen Energiemarkt zu gewährleisten.
Wer ist ein Stromlieferant nach EnWG?
Ein Stromlieferant im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist ein Unternehmen, das elektrische Energie an Letztverbraucher verkauft. Letztverbraucher können Haushalte, gewerbliche Betriebe, Industrieunternehmen oder öffentliche Einrichtungen sein.
Stromlieferanten schließen Lieferverträge mit ihren Kunden ab und sind dafür verantwortlich, die vereinbarten Strommengen bereitzustellen. Da sie über keine eigenen Netze verfügen, nutzen sie für den Stromtransport die Infrastruktur der Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber. Für diese Durchleitung zahlen sie sogenannte Netznutzungsentgelte, die von der Bundesnetzagentur reguliert werden.
Was ist eine Kundenanlage nach EnWG?
Eine Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG ist ein nicht-öffentliches Energieversorgungsnetz, das sich auf einem räumlich zusammenhängenden Gebiet befindet – zum Beispiel in einem Industriepark, einem Krankenhaus, einem Flughafen oder einem Wohngebäude mit zentralem Netzanschluss.
Kundenanlagen dürfen unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen elektrische Energie an Letztverbraucher innerhalb der Anlage weiterleiten, ohne selbst als Energieversorgungsunternehmen im Sinne des EnWG zu gelten. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Anlage nicht dazu dient, öffentliche Energieversorgungsnetze zu ersetzen oder mit ihnen zu konkurrieren.
Ziel der Regelung ist es, praktische Versorgungsstrukturen innerhalb zusammenhängender Liegenschaften zu ermöglichen, ohne für diese Fälle die vollen Anforderungen des öffentlichen Energierechts anzuwenden.
Welche Verordnungen gehören zum EnWG?
Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) wird durch eine Reihe von Verordnungen konkretisiert, die zentrale Detailregelungen für den Strommarkt enthalten. Dazu gehören unter anderem:
- Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV): regelt die Kalkulation und Genehmigung der Netznutzungsentgelte
- Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV): regelt den diskriminierungsfreien Zugang zu den Stromnetzen
- Systemstabilitätsverordnung (SysStabV): enthält Vorgaben zur Gewährleistung der Netzstabilität, insbesondere für Übertragungsnetzbetreiber
- Marktstammdatenregisterverordnung (MaStRV): regelt die Registrierungspflichten für Marktakteure im Strom- und Gasmarkt
- Weitere relevante Regelwerke: das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG)
Diese Verordnungen konkretisieren die gesetzlichen Pflichten der Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland, insbesondere hinsichtlich Netzzugang, Systemverantwortung und Datenbereitstellung. Sie regeln zugleich die Rechte und Pflichten von Stromlieferanten, Verteilnetzbetreibern, Messstellenbetreibern und Letztverbrauchern.
Übertragungsnetzbetreiber sind Schlüsselakteure der Energiewende
Die Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland spielen eine zentrale Rolle für eine sichere, effiziente und klimafreundliche Stromversorgung. Sie verbinden Erzeugungsanlagen – zunehmend aus erneuerbaren Quellen – mit den Verbrauchszentren und betreiben die Infrastruktur, auf der der liberalisierte Strommarkt basiert.
Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und unter der Aufsicht der Bundesnetzagentur stellen sie einen diskriminierungsfreien Netzzugang sicher, tragen zur Integration erneuerbarer Energien bei und gewährleisten die Netzstabilität auf Höchstspannungsebene. Damit sind sie zentrale Akteure der Energiewende und der Transformation des Energiesystems.