Die Wärmewende beschreibt den Übergang von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Wärmequellen. Während der Begriff in der öffentlichen Debatte häufig mit privaten Haushalten, Heizungen und Gebäuden in Verbindung gebracht wird, steht die Industrie vor einer weitaus größeren Herausforderung. Zahlreiche technische Verfahren sind auf die Bereitstellung von Prozesswärme angewiesen – ein Großteil davon basiert noch immer auf Kohle, Gas und Öl. Angesichts der Klimaziele, immer strengerer gesetzlicher Vorgaben sowie steigender Energiekosten wird klimaneutrale Prozesswärme damit zu einem entscheidenden Faktor für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.
Dass die industrielle Wärmewende nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern eine echte wirtschaftliche Chance darstellt, zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Kurzstudie der Hochschule Niederrhein, durchgeführt im Auftrag der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF): Sie kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland insgesamt bis zu 21 Milliarden Euro jährlich an Energiekosten für die Prozesswärmebereitstellung eingespart werden können.
Herausforderungen durch die Wärmewende in der Industrie
„Für industrielle Wärmeanwendungen wird in Deutschland genauso viel Energie verbraucht wie für die Gebäudewärme – und das noch überwiegend fossil“, erklärt Christian Noll, Geschäftsführender Vorstand der DENEFF. Klar ist: Ohne eine Umstellung auf emissionsfreie Wärmeerzeugung ist die Klimaneutralität kaum zu schaffen.
Allerdings haben wir es in der Industrie mit ganz anderen Temperaturbereichen als etwa bei Gebäuden oder privaten Heizungen zu tun, die je nach Branche außerdem stark variieren können. Gerade in energieintensiven Prozessen wie in der Glas- oder Stahlindustrie sind Temperaturen über 1000°C keine Seltenheit. Hier ist die Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung deutlich anspruchsvoller, da eine direkte Elektrifizierung der Prozesse oft nicht wirtschaftlich ist. Für diese Prozesse bietet sich grüner Wasserstoff als Alternative an, um die bisherige Versorgung mit Erdgas klimaneutral zu ersetzen.
Da grüner Wasserstoff allerdings in absehbarer Zukunft noch nicht in ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Preisen flächendeckend zur Verfügung stehen wird, muss sein Einsatz im Sinne der Primärenergieeffizienz auf die Bereiche beschränkt bleiben, die CO2-Neutralität nicht auf anderem Wege erreichen können. Für industrielle Prozesse, in denen die Temperaturspanne der benötigten Prozesswärme im mittleren Bereich liegt – zwischen 100°C und 400°C –, ist laut der DENEFF-Studie die direkte Elektrifizierung dagegen eine geeignete Lösung, um erneuerbare Energien direkt zu nutzen. Zu diesen Branchen zählen beispielsweise die Chemie-, Lebensmittel- und Papierindustrie.
Aktuelle Studie zeigt Einsparpotenzial für die Industrie
Die Ergebnisse der DENEFF-Studie machen deutlich: Die Wärmewende bietet für die Industrie enormes Potenzial und ermöglicht nachhaltiges Wachstum. Die individuellen Einsparmöglichkeiten einzelner Unternehmen können dabei jedoch sehr unterschiedlich ausfallen– abhängig von Branche, Temperaturniveau und bereits umgesetzten Maßnahmen. Dabei entfallen 63 Prozent der wirtschaftlichen Energieeinsparpotenziale auf sogenannte „marktnahe“ Maßnahmen, das heißt, dass diese sich innerhalb von drei Jahren amortisieren. Allein mit der Umsetzung dieser Maßnahmen können laut DENEFF-Studie bis zu 12,8 Milliarden Euro jährlich an Energiekosten eingespart werden. Das größte Potenzial haben laut Studie die Elektrifizierung von Prozessen sowie moderne Technologien zur Abwärmenutzung und Wärmerückgewinnung.
Energieeffizienz als Schlüssel für die industrielle Wärmewende
Energieeffizienz spielt als Mittel zur Energieeinsparung eine entscheidende Rolle bei der Wärmewende in der Industrie. Effizienzsteigerungen bei der Nutzung von Prozesswärme sind eine der kostengünstigsten und schnell umsetzbaren Maßnahmen, um den Energieverbrauch zu senken und CO2-Emissionen zu reduzieren. Laut DENEFF-Studie können Unternehmen so knapp die Hälfte ihres aktuellen Endenergieverbrauchs für Prozesswärme wirtschaftlich einsparen.
Thermische Energiespeicher zur direkten Elektrifizierung von Prozesswärme
Thermische Energiespeicher sind ein Schlüsselelement für die direkte Elektrifizierung von Prozesswärme und ermöglichen es, erneuerbare Energien effizient in industriellen Prozessen zu nutzen. Diese Speichertechnologie erlaubt es, überschüssige Energie aus Wind- oder Solarquellen zu speichern und bei Bedarf in Form von Wärme wieder abzugeben. Besonders in Branchen, in denen die benötigte Temperatur zwischen 150°C und 350°C Grad liegt bietet die direkte Elektrifizierung mithilfe von thermischen Speichern wie der ThermalBattery™ eine praktikable und umweltfreundliche Lösung.
Wärmewende als Standortfaktor für Unternehmen
Die Wärmewende wird zunehmend zu einem wichtigen Standortfaktor für Unternehmen, insbesondere in energieintensiven Branchen. Die Fähigkeit, nachhaltige und klimaneutrale Produktionsprozesse anzubieten, wird nicht nur von Kunden, sondern auch von Investoren immer stärker nachgefragt. Unternehmen, die frühzeitig auf erneuerbare Energien und energieeffiziente Technologien setzen, sichern sich Wettbewerbsvorteile und verbessern ihre Position auf internationalen Märkten. Gleichzeitig bietet die Wärmewende die Chance, sich von steigenden Preisen für fossile Energieträger unabhängiger zu machen und langfristig Kosten zu senken.
Damit die Wärmewende in der Industrie erfolgreich umgesetzt werden kann, ist umfassende politische Unterstützung unerlässlich. Zwar gibt es bereits zahlreiche Förderprogramme und gesetzliche Rahmenbedingungen, doch der Ausbau dieser Maßnahmen ist entscheidend für die weitere Entwicklung. Politische Förderung für die Wärmewende in der Industrie muss daher nicht nur finanziellen Anreize schaffen, sondern auch langfristige Planungssicherheit gewährleisten. Dazu gehören höhere etwa Investitionszuschüsse, steuerliche Erleichterungen und eine klare Regulierung, die die Nutzung fossiler Energien weiter verteuert und den Übergang zu erneuerbaren Energien fördert.