Deutschland soll klimaneutral werden: Als im Jahr 2015 mit dem Weltklimaabkommen von Paris die weltweiten Klimaziele im Zuge der 21. UN-Klimakonferenz definiert wurden, war die Bundesrepublik federführend mit dabei. Ziel war und ist es, mithilfe des weltweiten Vertrages die globale Erwärmung zu stoppen und damit den Klimawandel aufzuhalten, der schon heute verheerende Naturkatastrophen und ein Schrumpfen des natürlichen Lebensraums von Mensch und Tier verursacht. Seit der Verabschiedung des ersten Klimaschutzgesetzes in Deutschland im November 2019 sind fast vier Jahre vergangen. Ziele wurden korrigiert und Maßnahmen verschärft, um dem Tempo des Klimawandels Rechnung zu tragen.
Diese Klimaziele verfolgt Deutschland
Erst im Juni dieses Jahres hat das Bundeskabinett eine Neufassung des Klimaschutzgesetzes auf den Weg gebracht. Das übergeordnete Ziel: Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Dieses Ziel gilt es mit einem umfassenden Klimaschutzprogramm zu erreichen. Im Fokus steht dabei vor allem die hiesige Industrie, die mit rund 50 Prozent den höchsten Anteil am Energieverbrauch und CO2-Ausstoß der Bundesrepublik hat.
Die vermutlich größte Neuerung mit Blick auf die aktuellste Fassung des Klimaschutzgesetzes ist der Blick nach vorne: So soll der Fokus in Zukunft verstärkt auf der Vermeidung weiterer Emissionen liegen, als vergangene Zielverfehlungen im Auge zu behalten. Während das Klimaschutzgesetz in seinen früheren Fassungen jährliche Emissionsziele in Form von maximalen Emissionsmengen für die einzelnen Sektoren Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft gesetzlich festlegte, ist in der jüngsten Novellierung eine Aufweichung der Sektorenziele zugunsten einer ganzheitlichen Betrachtung vorgesehen.
CO2-Minderungsziele bis zum Jahr 2030
„Mit dem Klimaschutzprogramm rückt das deutsche Klimaziel für 2030 erstmals in Reichweite: Die Reduktion um 65 Prozent aller Treibhausgase im Vergleich zu 1990“, schreibt die Bundesregierung dazu in einer aktuellen Pressemitteilung. Um das ehrgeizige Ziel dieser CO2-Minderung durchzusetzen, sind eine Reihe von Maßnahmen notwendig, darunter der konsequente Ausbau erneuerbarer Energien und ihrer Infrastruktur, sowie Technologien zur Speicherung und zeitversetzten Abgabe grünen Stroms.
Klimaziele in Deutschland: Treibhausneutralität bis 2045
Mit den Zwischenzielen eines um 65 Prozent geminderten CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2030 sowie einer Reduktion um insgesamt 88 Prozent bis 2040 will Deutschland bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität erreichen. Nach eigener Aussage hat die Bundesregierung den mit Blick auf die Erreichung der Klimaziele unverzichtbaren Ausbau der erneuerbaren Energien mit einer Reihe von Maßnahmen bereits spürbar beschleunigt. Dazu zählt das Energiesofortmaßnahmenpaket aus der EEG-Novelle, das Wind-an-Land-Gesetz und das Windenergie-auf-See-Gesetz sowie die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes und des Bundesnaturschutzgesetzes.
Klimaziel-Bilanz 2022: Das ist der aktuelle Stand
Derzeit haben erneuerbare Energien einen Anteil von 47,1 Prozent am gesamten Energiemix (Quelle: Destatis). Insbesondere die Zahlen des ersten Quartals 2023 machen Hoffnung: So ging die insgesamt aus konventionellen Energieträgern erzeugte Strommenge im 1. Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahresquartal um satte 10,4 Prozent zurück. Der Anteil des Stroms aus konventionellen Energieträgern war mit 51,4 Prozent nur noch leicht höher als der Anteil des eingespeisten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen.
Doch gerade im Industriebereich gibt es in puncto Elektrifizierung von Prozessen und der Dekarbonisierung von Prozesswärme noch deutlich Luft nach oben. Wie sieht es mit den sektorspezifischen CO2-Ausstößen aus? Aktuell ist die deutsche Energieindustrie nach Informationen des Bundesumweltamtes „Spitzenreiter“ mit einem jährlichen Ausstoß von 250 Millionen Tonnen ausgestoßener Kohlendioxid-Äquivalente, gefolgt von der Industrie mit rund 190 Millionen Tonnen. Ziel bis 2030 sind eine Reduzierung auf 110 Mio. Tonnen bzw. 125 Mio. Tonnen.
Änderungen im deutschen Klimaschutzgesetz: Was ist neu?
Die Bundesregierung fasst die jüngst beschlossenen Neuerungen des Klimaschutzgesetzes, die aktuell dem Bundestag zur weiteren Beratung vorliegen, wie folgt zusammen: „Ziel der Novelle ist es, den Klimaschutz vorausschauender und effektiver zu machen. Der Entwurf sieht vor, dass künftig eine zukunftsgewandte, mehrjährige und sektorübergreifende Gesamtrechnung ausschlaggebend für weitere Maßnahmen ist.“ Dabei stehe vor allem die Erreichung der gesamten Treibhausgasemissionen im Fokus – unabhängig vom jeweiligen Sektor, indem sie entstanden sind.
Mehr Flexibilität: Weg von verbindlichen Sektorzielen
„Indem die Emissionen insbesondere dort gemindert werden, wo die größten Einsparpotentiale vorhanden sind, können die Klimaziele sozial gerecht und volkswirtschaftlich effizient erreicht werden. Damit wird die Gesamtverantwortung der Bundesregierung insgesamt und die Flexibilität zwischen den Sektoren gestärkt“, so die Bundesregierung. Als besonders CO2-intensiv gilt der Verkehrssektor sowie die chemische Industrie. Bis dato galten in den einzelnen Sektoren bis 2030 zulässige Jahresemissionsmengen für die unterschiedlichen Sektoren. Wurden diese verfehlt, musste die Bundesregierung zahlen – in der Praxis wurden dabei sogenannte Emissionsrechte von EU-Staaten wie Bulgarien, Tschechien oder Ungarn gekauft, die ihre Klimaziele übererfüllt haben. Nach Angaben der Tagesschau lagen Deutschlands CO2-Emissionen im Zeitraum von 2013 bis 2020 bei mehr als elf Millionen Tonnen über dem zulässigen Wert, was Sanktionen in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages zur Folge hatte.
Das „Heizungsgesetz“ als Teil der Reform im Klimaschutzgesetz
Viel diskutiert wird derzeit über das sogenannte Heizungsgesetz als wichtigen Teil der Klimaschutzreformen. Dieses sieht vor, dass ab dem 01.01.2024 in Wohn- und Nicht-Wohngebäuden jede neu eingebaute Heizung mindestens 65 Prozent erneuerbare Energie nutzt. Die Bundesregierung schreibt: „Vollständig treibhausgasneutral wird der Betrieb von Stromheizungen und Wärmepumpen dann sein, wenn auch die Stromerzeugung vollständig dekarbonisiert ist.“ Dabei gilt: Je klimafreundlicher der Strom zum Betrieb von Wärmepumpen und Stromdirektheizungen ist, desto geringer sind die durch das Heizen verursachten CO₂-Emissionen.
CO2-Aufschlag auf LKW-Maut
Ein ebenfalls vielfach diskutierter Teil des novellierten Klimaschutzgesetzes ist die Anhebung der LKW-Maut. Der Hintergrund: Nutzfahrzeuge verursachen im Verkehrssektor rund ein Drittel der CO₂-Emissionen. Zum 1. Dezember soll daher ein CO₂-Aufschlag von 200 Euro pro Tonne ausgestoßenem CO₂ eingeführt werden, der bis 2027 zu Mehreinnahmen von rund 30 Milliarden Euro führen soll. Diese sollen nach dem Willen des Verkehrsministeriums unter Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu einem Großteil in die Erneuerung und den Ausbau von Schienen investiert werden.
Keine Änderungen an den Klimazielen
Die Bundesregierung betont immer wieder, dass es trotz zum Teil veränderter Strategien und Ausrichtungen keine Änderungen an den Klimazielen der Bundesregierung geben soll. Dazu heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung: „Die ehrgeizigen Klimaziele Deutschlands bleiben unverändert.“ Schließlich dürfe durch die Reform nicht eine Tonne mehr CO2 ausgestoßen werden als mit dem bisherigen Gesetz. Vielmehr gelte es durch die Neuausrichtung den klimapolitischen Entwicklungen Rechnung zu tragen.
Kritik an den Neuerungen im Klimaschutzgesetz
Mitunter wird vielerorts Kritik an der Novellierung des Klimaschutzgesetzes laut. Kritiker befürchten insbesondere, dass die Aufweichung der einzelnen Sektoren zu einer Ausbremsung von Ambitionen führen könnte. Die Möglichkeit zur Verrechnung mit anderen Sektoren dürfe nicht zum sprichwörtlichen Blankoscheck werden, bemerken Kritiker. Auf der anderen Seite soll mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes auch der unabhängige Expertenrat für Klimafragen gestärkt werden. Dieser hatte an der Ausarbeitung der Maßnahmen entscheidend mitgewirkt und noch im vergangenen Jahr festgestellt, dass eine Erreichung der Klimaziele bis 2030 ohne einen Paradigmenwechsel überaus fraglich sei.
Ein entsprechender Paradigmenwechsel, wie er auch in der Gesetzesnovellierung enthalten ist, besteht vor allem darin, dass zukünftig alle zur Verfügung stehenden Wirkräume konsequent adressiert würden. Dabei geht es primär um eine sektorübergreifende Begrenzung zulässiger Emissionsmengen. „Politische Steuerung hätte dann nicht mehr die primäre Aufgabe, Emissionen zu steuern, sondern die dafür umso größere Herausforderung, den Wandel so zu gestalten, dass er für Wirtschaft und Gesellschaft ökonomisch und verteilungspolitisch tragfähig ist“, resümiert der Vorsitzende des Klimarates, Hans-Martin Henning.
Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten, doch schon heute haben Unternehmen mit innovativen Klimatechnologien wie etwa thermischen Energiespeicherlösungen wertvolle Hebel in der Hand, um die eigene Dekarbonisierung voranzutreiben und ihre Energiekosten bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit so niedrig wie möglich zu halten.